Martina fängt mit 60 an...

Die Seniorin ist um Jahrzehnte älter als alle anderen Fahrschüler – trotzdem will sie’s jetzt
wissen und macht ihren Führerschein.
Die AZ hat sie bei der Fahrstunde begleitet
Kurz vor dem Einsteigen plagen die Sechzigjährige plötzlich Zweifel.
„Ich weiß gar nicht mehr, wo der Hebel ist, um den Sitz
hoch zumachen.“ Martina Lauterbach ist ein bisserl flau im
Magen vor ihrer zweiten Fahrstunde, aber sie macht Fortschritte:
Vor der ersten hat sie verkündet: „Ichkenne kein einziges
Pedal!“ Inzwischen kennt sie alle – auch wenn
die oft nicht so wollen, wie die Sechzigjährige will.
„Langsam, langsam“, sagt
Fahrlehrer Baggy Herbig, als der Mercedes aufheult. „Und
jetzt kommen lassen.“ Das mit Rechts-vor-Links beim Rausrollen
aus dem Parkplatz mitten rein ins Wohngebiet Kieferngarten
hat ihr dreißig Jahre jüngerer Fahrlehrer
gecheckt. Martina Lauterbach biegt derweil rechts ab.
Die Thüringerin kam der Liebe wegen nach München.
Ihr Freund Gerhard Daimer brachte sie auf die Idee, den
Führerschein zu machen. Aus gesundheitlichen Gründen
konnte er zuletzt nicht fahren.
Jetzt, wo es ihm besser geht, bekräftigt er seine Frau trotzdem.
„Dann kann ich mal ein Bierchen trinken – und sie
fährt,“ sagt er. Praktisch. Das Kuppeln klappt gut, das
Lenken weniger. Sie vergisst, das Lenkrad gerade zu stellen.
Baggy greift ein. Als auch noch ein Bus entgegenkommt, hält
Martina Lauterbach die Luft an. Zum Glück fährt das Ungetüm
an ihr vorbei.
Mit dem Theorieunterricht ist die Sechzigjährige schon
durch. „Bei manchen Sachen brauche ich halt ein wenig länger
als die Jüngeren“, sagt sie. Die Lektion über Technik im
Auto bucht sie nochmal – beim Prüfungsbogen im Internet
macht sie da die meisten Fehler. „Dann denk ich mir
manchmal, vielleicht bin ich doch zu alt.“
Nach 45 Minuten hat es Martina Lauterbach zurück
an die Fahrschule geschafft.
„Du darfst jetzt wieder schnaufen“, sagt Baggy.
Jasmin Menrad
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